Die Emilia-Romagna ist reich an Kulturdenkmälern. Bis in vorgeschichtliche Zeiten reichen die Spuren intensiver menschlicher Besiedelung zurück, und seit Anbeginn der geschichtlichen Überlieferung stand die Region in Oberitalien stets im Zentrum des Geschehens. Bis zum Eindringen der Etrusker ab 600 v. Chr. lebten verschiedene altitalische Stämme in der Region, ab etwa 430 v. Chr. erobert der keltisch-gallische Stamm der Bojer das Land, bis die Römer die „Gallia Cisalpina“ nach 200 v. Chr. zu ihrer Provinz machen konnten. Shließlich lässt der römische Konsul Marcus Aemilius Lepidus im Jahr 187 v. Chr. die „Via Aemilia“ bauen, von der die Region ihren Namen herleiten wird; damit ist eine wichtige Heer- und Handelsstraße nach Norden gewonnen. Die Römer begründen und befestigen die urbane Kultur der Region, und auch Landleben und Weinbau sind vielerorts römisches Erbe. In der spätrömischen Kaiserzeit wurde die Region sogar zum Zentrum des Imperiums und zur Wiege des Abendlandes. Kaiser Honorius verlegte im Jahr 402 n. Chr. den Regierungssitz des Weströmischen Reiches nach Ravenna.

Nach dem Germanen Odoaker, der 476 n. Chr. den letzten weströmischen Kaiser entthront, folgen als Herrscher über die Gebiete der Region der Ostgote Theoderich und der oströmische Kaiser Justinian; im Jahre 568 aber erobern die Langobarden den Westteil des bis dahin einheitlichen Landes und halten ihr Herzogtum mit der Hauptstadt Parma bis 754 n. Chr., während das Gebiet um Ravenna oströmisches Exarchat (bis 751 n. Chr.) bleibt. Nach 754 n. Chr. wird der langobardische Teil des Landes fränkisch- karolingisch, der östliche ein Teil des Kirchenstaates mit „römischer“, d. h. oströmischer Tradition, woher der Name „Romania“ stammt. In Mittelalter und früher Neuzeit entwickeln sich nach dem Ende der karolingischen Herrschaft lokale Fürstentümer und Stadtrepubliken; Wissenschaft, Dichtung und Malerei, aber auch politische Theorie und Finanzwirtschaft blühen. Die Aufteilung der Region in verschiedene Herzogtümer, Grafschaften und Stadtstaaten sowie den Kirchenstaat beendet der Feldzug Napoleons (1796) vorübergehend, die „Cispadanische Republik“ wird errichtet und nach dem Sturz Napoleons wieder abgeschafft; erst die Einigung Italiens unter Garibaldi (1861) führt die Gebiete der Region wieder zusammen.


Bologna: Neptun-Brunnen

Und so ist die Emilia-Romagna mit ihrer Geschichte niemals zur Ruhe gekommen, bis in die Gegenwart ist sie politisch vielfältig und lebendig. Und so sind auch ihre Bewohner, so ihr Lebensstil, so ihre Gastlichkeit: Wach sind sie, offen und von einem hohen Selbstbewusstsein geprägt. Die großen Städte der Emilia-Romagna sind allesamt bedeutend und zeugen von großer Vergangenheit und lebendiger Gegenwart. Herrliche Plätze sind Ausdruck der urbanen Kultur, großartige Sakral-Architektur mit jeweils eigener Prägung gibt Zeugnis geistlicher Macht, gewaltige Stadtresidenzen erinnern an die Herrschergeschlechter. Parma ist die Stadt der Herzöge aus dem Hause Farnese, die Stadt großer Kultur und feinsinniger Lebensart. Die Stadt wurde von den Römern gegründet. Sind die Überreste aus der Antike auch spärlich, so ist sie doch Voraussetzung für die glanzvolle mittelalterliche Epoche, deren Zeugnisse vor allem auf der „Piazza del Duomo“ zu bewundern sind. Und im Zusammentreffen von Antike, Mittelalter und Renaissance entsteht jene auch geistige Weite, die Parma auszeichnet…


Ferrara: Castello Estense

Bologna ist die älteste und größte Stadt der gesamten Region: Schon eine vorgeschichtliche Gründung, wird die Siedlung eine der wichtigsten etruskischen Städte, Mitglied im Bund der zwölf Städte der Etrusker, sie wird Residenz der gallischen Bojer (4. – 2. Jh. v. Chr.), eine Handelsstadt unter den Römern wie später unter den Langobarden. Schließlich befreit sich die Stadt von Fremdherrschaft, Handel und Gelehrsamkeit blühen, die älteste Universität Europas (1088) wird begründet – und, um eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren, fügt sich die Stadt 1506 dem Kirchenstaat ein. Diese Geschichte der Stadt spiegelt sich in ihrer Gegenwart: Handel und Gelehrsamkeit sowie eine gewisse Reserve gegenüber staatlicher Obrigkeit zeichnen sie aus. Zu besichtigen sind Kirchen und Paläste, große Kunstwerke und reiche Straßenzüge: Und alle erscheinen sie wie für diese irdische Welt gemacht, bewacht von den mächtigen Stadttürmen…


Ravenna: San Vitale Kirche

Ferrara ist die Stadt der Herzöge der Este, eine wohlerhaltene Renaissance-Stadt mit ihrem gewaltigen Stadt-Kastell der Herzöge, mit dem herrlichen Dom. Spät erst durch die Este zur Residenz erhoben (Ende 14. Jh.), ist sie eine geplante und in ihrer Bebauung geordnete Stadt, ein Zentrum der irdischen Welt, gleichwohl in ihrer zeitlosen Schönheit und Zurückgezogenheit auch ein Abglanz einer anderen Welt, wie sie das Innere der Kathedrale vermittelt… Was die Emilia-Romagna an Irdischem besitzt und stolz vorweist, wird durch eine einzige und lange Zeit abseits aller Interessen liegende Stadt gleichsam spirituell aufgewogen: Ravenna. Hier ist erhalten, was die höchste Kunst der Spätantike während der kurzen Blütezeit der Stadt (4. – 6. Jh. n. Chr.) an geistlicher Kraft hervorgebracht hat – die einzigartigen und inzwischen weltberühmten Mosaiken im Baptisterium der Orthodoxen und dem Mausoleum der Galla Placidia, in den Kirchen San Vitale (oben im Bild) und Sant’ Apollinare in Classe und anderen, bestens erhaltenen Bauten dieser Zeit.

Die Mosaiken von Ravenna (oben im Bild Mosaik in der San Vitale Kirche) mögen zeitlos schön zu nennen sein. Genau diese Zeitlosigkeit entfernt vom Alltag und bewirkt, was sonst nur die unberührte Natur der Emilia-Romagna vermag: den Eindruck des Ewigen durch Kunst von Menschenhand zu erwecken. Allein dies ist eine lange Reise wert.

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